Nora Al-Badri
Nora al-Badri, Babylonian Vision, 2020, Videostills
(c) Nora Al-Badri
Mit Babylonian Vision (2020) eröffnet die multidisziplinär arbeitende Konzept- und Medienkünstlerin Nora Al-Badri neue Perspektiven auf unsere Wahrnehmung von kulturellem Erbe. Die Arbeit beruht auf 10.000 digitalen Bildern – hauptsächlich von Objekten wie Statuetten, Schmuck oder Tonhandwerk –, die die Künstlerin aus den größten Sammlungen mesopotamischer, neosumerischer und assyrischer Kulturen mehrerer bedeutender westlicher Museen ausgewählt hat. Mit diesen Bildern hat Al-Badri ein neuronales Netzwerk trainiert: Die Technologie erlernt die Regelhaftigkeit und Muster der Input-Daten, bearbeitet und mischt sie und stellt sie zu neuen Visualisierungen zusammen.
Die daraus resultierenden Bilder erscheinen aufgrund des Genese-Prozesses als synthetische Objekte mit blassen Spuren der Vergangenheit. Durch diese digitalen Artefakte bringt die Künstlerin spekulative Architekturen mit auf maschinellem Lernen beruhenden musealen Praktiken zueinander und generiert Technoerbe – die Bewahrung kulturellen Erbes mithilfe von Digitalisierung. Mit der algorithmischen Darstellung der Objekte hinterfragt die Künstlerin nicht nur die Rolle, die die Digitalisierung in der musealen Praxis spielt, sondern auch das Konzept der Authentizität und die institutionellen Machtstrukturen westlicher Museen. Welche Rolle kann Technologie bei der Schaffung einer demokratischen Repräsentation von Kulturen spielen, wie können Objekte zu Trägern sozialer und kultureller Erinnerungen der Vergangenheit werden und wie entscheiden wir, wann ihre Interpretation abgeschlossen ist?
In ihrer Praxis fordert Al-Badri die Macht der vorherrschenden internationalen Verwaltungs- und kuratorischen Museumsstrukturen heraus. 2017 hat sie gemeinsam mit dem Künstler Jan Nikolai Nelles die Arbeit NefertitiBot entwickelt. Der Bot kann in Museen als Installation neben antiken Artefakten platziert werden und ist dazu in der Lage, materielle Objekte anderer Kulturen in Museen des Globalen Nordens für sich selbst sprechen zu lassen. Wie Babylonian Vision dekonstruiert der Bot die Fiktion, die institutionellen Narrativen innewohnt, und ficht die vorherrschenden Repräsentationspolitiken an.
Text: Sarie Nijboer; deutsche Übersetzung: Johanna Schindler
Mit Babylonian Vision (2020) eröffnet die multidisziplinär arbeitende Konzept- und Medienkünstlerin Nora Al-Badri neue Perspektiven auf unsere Wahrnehmung von kulturellem Erbe. Die Arbeit beruht auf 10.000 digitalen Bildern – hauptsächlich von Objekten wie Statuetten, Schmuck oder Tonhandwerk –, die die Künstlerin aus den größten Sammlungen mesopotamischer, neosumerischer und assyrischer Kulturen mehrerer bedeutender westlicher Museen ausgewählt hat. Mit diesen Bildern hat Al-Badri ein neuronales Netzwerk trainiert: Die Technologie erlernt die Regelhaftigkeit und Muster der Input-Daten, bearbeitet und mischt sie und stellt sie zu neuen Visualisierungen zusammen.
Die daraus resultierenden Bilder erscheinen aufgrund des Genese-Prozesses als synthetische Objekte mit blassen Spuren der Vergangenheit. Durch diese digitalen Artefakte bringt die Künstlerin spekulative Architekturen mit auf maschinellem Lernen beruhenden musealen Praktiken zueinander und generiert Technoerbe – die Bewahrung kulturellen Erbes mithilfe von Digitalisierung. Mit der algorithmischen Darstellung der Objekte hinterfragt die Künstlerin nicht nur die Rolle, die die Digitalisierung in der musealen Praxis spielt, sondern auch das Konzept der Authentizität und die institutionellen Machtstrukturen westlicher Museen. Welche Rolle kann Technologie bei der Schaffung einer demokratischen Repräsentation von Kulturen spielen, wie können Objekte zu Trägern sozialer und kultureller Erinnerungen der Vergangenheit werden und wie entscheiden wir, wann ihre Interpretation abgeschlossen ist?
In ihrer Praxis fordert Al-Badri die Macht der vorherrschenden internationalen Verwaltungs- und kuratorischen Museumsstrukturen heraus. 2017 hat sie gemeinsam mit dem Künstler Jan Nikolai Nelles die Arbeit NefertitiBot entwickelt. Der Bot kann in Museen als Installation neben antiken Artefakten platziert werden und ist dazu in der Lage, materielle Objekte anderer Kulturen in Museen des Globalen Nordens für sich selbst sprechen zu lassen. Wie Babylonian Vision dekonstruiert der Bot die Fiktion, die institutionellen Narrativen innewohnt, und ficht die vorherrschenden Repräsentationspolitiken an.
Text: Sarie Nijboer; deutsche Übersetzung: Johanna Schindler