Künstler*Innen

Hünerfauth, Irma

Wie Gras sein ..., 1983
Courtesy: Irma Hünerfauth; (c) Fellbach Triennale; Foto: Peter Hartung

Irma Hünerfauth entwickelte in der Bundesrepublik Deutschland der Nachkriegszeit ein beeindruckendes künstlerisches Werk, das von Eigenständigkeit und Innovation gekennzeichnet ist. Sie erkannte früh die sozialen und ökologischen Probleme in der Zeit des Wirtschaftswunders und thematisierte diese in ihren Arbeiten mit besonderer Vehemenz. Nach Anfängen als Malerin expandierte sie immer stärker in den dreidimensionalen Raum. Das Erlernen des Schweißens ermöglichte es ihr, Plastiken aus Fundstücken und Schrottteilen zu fertigen. Ebenfalls experimentierte sie mit Elektrotechnik und schuf Kunstwerke, bei denen die BetrachterInnen durch das Betätigen von Armaturen akustische oder maschinelle Effekte auslösen können. Zu den bekanntesten Arbeiten dieser Serie, die Hünerfauth als Vibrationsobjekte bezeichnete, zählen ihre Sprechenden Kästen (ab 1972). Dabei handelt es sich um skulpturale Panoramen im Miniaturformat, die die Künstlerin aus Elektroschrott wie Drähten, Knöpfen und Schrauben fertigte und in Plexiglas-Schaukästen präsentierte. Mit diesen Arbeiten nahm Hünerfauth dezidiert Bezug auf aktuelle gesellschaftspolitische Missstände. Den Panoramen, die oftmals wie dystopische Landschaften anmuten, fügte sie Tonaufnahmen von Texten hinzu, die sich mit Themen wie Umweltverschmutzung und Krieg beschäftigen. Sprechende Kästen wie Wie Gras sein ... (1983) richten sich direkt an die BetrachterInnen und erzeugen unmittelbare Resonanz.
Mit Vereinsamung (1988) bezieht sich Hünerfauth auf das Leben in modernen Städten und die soziale Realität, die durch Architektur geschaffen wird. Als Monoblock mit zahlreichen Fenstern, die zum Teil den Blick auf menschliches Leben freigeben, erinnert Vereinsamung an die Hochhäuser der Trabantenstädte, die nach dem Zweiten Weltkrieg überall in der Bundesrepublik binnen kürzester Zeit entstanden, um der massiven Wohnungsnot beizukommen. Auch in München, der Stadt, in deren unmittelbarer Umgebung Hünerfauth lebte und arbeitete, entstanden mit Hasenbergl und Neuperlach zwei neue Stadtteile, die beispielhaft für diese Geschichte stehen. Am Ende der 1980er Jahre, als die sozialen Probleme der Großwohnsiedlungen längst offensichtlich geworden waren, formulierte Hünerfauth mit ihrer Arbeit kritische Überlegungen zu Vereinzelung und dem Widerspruch von Individualismus und Konformität in westlichen Gesellschaften, die bis heute von ungebrochener Bedeutung sind.

Text: Sebastian Schneider

Irma Hünerfauth entwickelte in der Bundesrepublik Deutschland der Nachkriegszeit ein beeindruckendes künstlerisches Werk, das von Eigenständigkeit und Innovation gekennzeichnet ist. Sie erkannte früh die sozialen und ökologischen Probleme in der Zeit des Wirtschaftswunders und thematisierte diese in ihren Arbeiten mit besonderer Vehemenz. Nach Anfängen als Malerin expandierte sie immer stärker in den dreidimensionalen Raum. Das Erlernen des Schweißens ermöglichte es ihr, Plastiken aus Fundstücken und Schrottteilen zu fertigen. Ebenfalls experimentierte sie mit Elektrotechnik und schuf Kunstwerke, bei denen die BetrachterInnen durch das Betätigen von Armaturen akustische oder maschinelle Effekte auslösen können. Zu den bekanntesten Arbeiten dieser Serie, die Hünerfauth als Vibrationsobjekte bezeichnete, zählen ihre Sprechenden Kästen (ab 1972). Dabei handelt es sich um skulpturale Panoramen im Miniaturformat, die die Künstlerin aus Elektroschrott wie Drähten, Knöpfen und Schrauben fertigte und in Plexiglas-Schaukästen präsentierte. Mit diesen Arbeiten nahm Hünerfauth dezidiert Bezug auf aktuelle gesellschaftspolitische Missstände. Den Panoramen, die oftmals wie dystopische Landschaften anmuten, fügte sie Tonaufnahmen von Texten hinzu, die sich mit Themen wie Umweltverschmutzung und Krieg beschäftigen. Sprechende Kästen wie Wie Gras sein ... (1983) richten sich direkt an die BetrachterInnen und erzeugen unmittelbare Resonanz.
Mit Vereinsamung (1988) bezieht sich Hünerfauth auf das Leben in modernen Städten und die soziale Realität, die durch Architektur geschaffen wird. Als Monoblock mit zahlreichen Fenstern, die zum Teil den Blick auf menschliches Leben freigeben, erinnert Vereinsamung an die Hochhäuser der Trabantenstädte, die nach dem Zweiten Weltkrieg überall in der Bundesrepublik binnen kürzester Zeit entstanden, um der massiven Wohnungsnot beizukommen. Auch in München, der Stadt, in deren unmittelbarer Umgebung Hünerfauth lebte und arbeitete, entstanden mit Hasenbergl und Neuperlach zwei neue Stadtteile, die beispielhaft für diese Geschichte stehen. Am Ende der 1980er Jahre, als die sozialen Probleme der Großwohnsiedlungen längst offensichtlich geworden waren, formulierte Hünerfauth mit ihrer Arbeit kritische Überlegungen zu Vereinzelung und dem Widerspruch von Individualismus und Konformität in westlichen Gesellschaften, die bis heute von ungebrochener Bedeutung sind.

Text: Sebastian Schneider

Wie Gras sein ..., 1983
Courtesy: Irma Hünerfauth; (c) Fellbach Triennale; Foto: Peter Hartung