Künstler*Innen

Sturm, Erik

Neue Qualität, 2019
Courtesy: Erik Sturm, Foto: Erik Sturm

Der urbane Raum dient Erik Sturm als Ausgangspunkt seiner künstlerischen Arbeit. Seit mehreren Jahren betreibt der Künstler ein Atelier in der Stuttgarter Innenstadt, das mitten im Baustellenareal des Jahrhundertprojekts Stuttgart 21 gelegen ist. Von dieser exponierten Position verfolgt er den rasanten Umbau der Stadt und die Drastik, mit der dieser vorangetrieben wird. Als Künstler richtet Erik Sturm seinen Blick auf Phänomene, die randständig sind oder sich der Aufmerksamkeit der StadtbewohnerInnen entziehen – auch wenn sie von größter Bedeutung sind. So beschäftigte er sich über einen längeren Zeitraum mit Feinstaub, also jenen Ablagerungen, die sich an Orten mit hohem Verkehrsaufkommen bilden und eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Aus dem Stadtraum trug Erik Sturm Proben des ephemeren Materials zusammen und überführte es in seinen Werken in eine neue Sichtbarkeit, die dem Feinstaub besondere Evidenz verleiht.
Die Werke, die Erik Sturm bei der 15. Triennale Kleinplastik präsentiert, setzen die Exploration von Mensch-Umwelt-Beziehungen fort. Das zweiteilige Objekt Kollision (2015) mutet wie eine modernistische Skulptur an. Tatsächlich handelt es sich aber um das Fragment eines Stahlträgers und eines Bohrkopfs, die Erik Sturm auf der Stuttgart 21-Baustelle vorgefunden hat. Seine Nachforschungen ergaben, dass ein Bohrpfahl bei Bauarbeiten auf einen zugeschütteten Treppenschacht aus den 1970er Jahren stieß. Die enorme Kraft des Bohrers führte dazu, dass sich der Stahl verformte und der Bohrkopf brach. Die in den Ausstellungsraum überführten Fundstücke bezeugen auf eindrückliche Weise, mit welcher Brutalität der Mensch in die Erde vordringt und welche Kräfte dabei freigesetzt werden. Die Tatsache, dass die BauarbeiterInnen in der Tiefe auf Bauwerke stießen, die trotz ihres jungen Alters völlig in Vergessenheit geraten sind, zeigt darüber hinaus, dass der Mensch zu einem geologischen Faktor geworden ist, der sich in die ihn umgebende Umwelt eingeschrieben hat. Daraus resultiert eine Kritik an der Trennung von „Kultur“ und „Natur“, die Erik Sturm auch mit Neue Qualität (2019) thematisiert: Für den Bau eines Nests, das der Künstler ebenfalls auf der Stuttgart 21-Baustelle fand, verwendeten Vögel ausschließlich Draht, Kabelbinder und Schrauben – Materialien menschlichen Ursprungs. Im Zeitalter des Anthropozäns werden Tier-Mensch-Beziehungen nicht im Sinne einer Arbeitsteilung, sondern als zutiefst aufeinander bezogenes und voneinander abhängiges Handeln begriffen.

Text: Sebastian Schneider

Der urbane Raum dient Erik Sturm als Ausgangspunkt seiner künstlerischen Arbeit. Seit mehreren Jahren betreibt der Künstler ein Atelier in der Stuttgarter Innenstadt, das mitten im Baustellenareal des Jahrhundertprojekts Stuttgart 21 gelegen ist. Von dieser exponierten Position verfolgt er den rasanten Umbau der Stadt und die Drastik, mit der dieser vorangetrieben wird. Als Künstler richtet Erik Sturm seinen Blick auf Phänomene, die randständig sind oder sich der Aufmerksamkeit der StadtbewohnerInnen entziehen – auch wenn sie von größter Bedeutung sind. So beschäftigte er sich über einen längeren Zeitraum mit Feinstaub, also jenen Ablagerungen, die sich an Orten mit hohem Verkehrsaufkommen bilden und eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen. Aus dem Stadtraum trug Erik Sturm Proben des ephemeren Materials zusammen und überführte es in seinen Werken in eine neue Sichtbarkeit, die dem Feinstaub besondere Evidenz verleiht.
Die Werke, die Erik Sturm bei der 15. Triennale Kleinplastik präsentiert, setzen die Exploration von Mensch-Umwelt-Beziehungen fort. Das zweiteilige Objekt Kollision (2015) mutet wie eine modernistische Skulptur an. Tatsächlich handelt es sich aber um das Fragment eines Stahlträgers und eines Bohrkopfs, die Erik Sturm auf der Stuttgart 21-Baustelle vorgefunden hat. Seine Nachforschungen ergaben, dass ein Bohrpfahl bei Bauarbeiten auf einen zugeschütteten Treppenschacht aus den 1970er Jahren stieß. Die enorme Kraft des Bohrers führte dazu, dass sich der Stahl verformte und der Bohrkopf brach. Die in den Ausstellungsraum überführten Fundstücke bezeugen auf eindrückliche Weise, mit welcher Brutalität der Mensch in die Erde vordringt und welche Kräfte dabei freigesetzt werden. Die Tatsache, dass die BauarbeiterInnen in der Tiefe auf Bauwerke stießen, die trotz ihres jungen Alters völlig in Vergessenheit geraten sind, zeigt darüber hinaus, dass der Mensch zu einem geologischen Faktor geworden ist, der sich in die ihn umgebende Umwelt eingeschrieben hat. Daraus resultiert eine Kritik an der Trennung von „Kultur“ und „Natur“, die Erik Sturm auch mit Neue Qualität (2019) thematisiert: Für den Bau eines Nests, das der Künstler ebenfalls auf der Stuttgart 21-Baustelle fand, verwendeten Vögel ausschließlich Draht, Kabelbinder und Schrauben – Materialien menschlichen Ursprungs. Im Zeitalter des Anthropozäns werden Tier-Mensch-Beziehungen nicht im Sinne einer Arbeitsteilung, sondern als zutiefst aufeinander bezogenes und voneinander abhängiges Handeln begriffen.

Text: Sebastian Schneider

Neue Qualität, 2019
Courtesy: Erik Sturm, Foto: Erik Sturm